Teil 2 unserer Serie zur Abschlussprüfung: Das Abschlussprojekt

Der Projektantrag ist eingereicht und genehmigt, ihr habt vielleicht, vielleicht nicht, hilfreiche oder allgemeine Hinweise vom Prüfungsausschuss erhalten.
In den allermeisten Fällen habt ihr mindestens einen Hinweis auf ein Dokument der IHK Berlin erhalten – dem FISI-Leitfaden für IT-Berufe (es gibt diese Leitfäden in Berlin für alle IT-Berufe) sowie, nicht selten und nicht zwangsweise ein subtiler Hinweis an euch, einen Verweis auf die Prüfungsordnung Berlin.
Die beiden Dokumente sind umfänglich genug, ich beschränke mich im weiteren Verlauf dieser Serie auf eine Klarstellung einzelner Themen – und wiederhole mantraartig: lest das halt mal – die Dinger existieren und der Prüfungsausschuss schickt euch das nicht, weil’s nette Prosa ist, sondern weil sie gerne Prüfungen hätten, die sie von oben nach unten durchkorrigieren können, ohne konrekte Inhalte suchen zu müssen, um sich auf das Wesentliche eures Abschlussprojekts zu konzentrieren: Eurer Fähigkeit, euch einer technischen Herausforderung innerhalb eines Projekts zu stellen.
Der Projekt folgt dem gleichen Regelwerk aus der Ausbildungsverordnung wie der Projektantrag sowie dem einen, wichtigen, weiteren:

Das. Abschlussprojekt. Muss. Eurem. Antrag. Entsprechen.

Lest das nochmal, in Ruhe, es ist wichtig. Ich warte.

Fertig? Okay, dann zum Warum: Ihr habt ein Projekt eingereicht, die Eckdaten in dem Umfang ausformuliert, soweit euch das halt als Ableitung aus dem Auftrag möglich war. Der Prüfungsausschuss hat genau diesen Antrag genehmigt, erwartet also auch genau dieses beantragte und genehmigte Projekt später bewerten zu dürfen.
Weicht ihr nun, weil euch die Realität im Projektverlauf einholt, wesentlich von diesem Antrag ab, haben wir ein gemeinsames Problem: Ihr hattet keine Gelegenheit, diese Abweichungen im Projekt genehmigen zu lassen und der Prüfungsausschuss hatte keine Gelegenheit, diese Abweichungen im Projekt im Vorfeld zu genehmigen. Hierzu ist er aber gemäß Ausbildungsverordnung verpflichtet – und vielfach wird diese Verpflichtung in Einheit mit einer Alternativlosigkeit verstanden: Ein anderes als das genehmigte Projekt hätte der Prüfungsausschuss möglicherweise eben gerade nicht genehmigt – und er wird entsprechend verstimmt reagieren.
Selbstverständlich gibt es nachvollziehbare Umstände, die Abweichungen vom Antrag erzwingen:

• Ein Lieferant kann seine Zusagen nicht einhalten.
• Stakeholder ziehen sich aus dem Projektverlauf zurück.
• Wichtige Schnittstellenpersonen erkranken oder verlassen das Projekt.
• Eurem Auftraggeber geht das Geld für die Finanzierung des Projekts aus.

kurzum: Die von euch geplanten Ressourcen für den Projektverlauf stehen euch nicht wie geplant zur Verfügung. Auf diesen Umstand habt ihr wenig Einfluss aber ihr habt ja im Hinterkopf, dass die nun eintretende Veränderung euer Projekt verändern wird und es damit nicht mehr dem Antrag entspricht. Also tut ihr das einzig richtige in dem Fall: Nehmt Kontakt zu eurem Prüfungsausschuss auf und informiert ihn möglichst ausführlich über die Situation:
Was hat zur Änderung geführt (das könnt, dürft und solltet ihr so vorteilhaft wie möglich für euch formulieren), was ist die Änderung, die ihr vorseht und wie stellt der Prüfungsausschuss sich das weitere Vorgehen vor – erwartet er beispielsweise einen neuen Antrag oder genügt ihm diese Kontaktaufnahme und die enthaltenen Informationen?
Die Kontaktaufnahme ist, weil sie mit den oben genannten Hinweisen textlastig ist, am sinnvollsten per Mail vorzunehmen – an die Adresse eures Prüfungssachbearbeitung bei der IHK, von dort wird das kontrolliert dem Ausschuss zur Verfügung gestellt.
Ansschließend müsst ihr dem Ausschuss noch einige Tage Reaktionszeit einräumen, bevor ihr mit dem Projekt starten könnt, dürft, solltet.
Üblicherweise wird der Ausschuss die Kenntnisnahme bestätigen und zur „Fortfahren wie Vorgeschlagen“-Tagesordnung übergehen.

Eine weitere, delikate Info, die kaum jemandem bekannt ist: Euer Prüfungsausschuss hat das Recht, sich vor Ort ein Bild vom Projekt zu machen. Das ist insofern wichtig, als dass ein solcher Besuch natürlich Rückschlüsse auf die Realitätsnähe eurer eingereichten Zeitplanung hat: Kommt der Ausschuss zu Besuch und ihr seid grade nicht dort, wo ihr zu diesem Zeitpunkt geplant hattet, zu sein, wirft das Fragen auf – am drastischsten fällt in solchen Fällen auf, wenn ein Projekt aus der Retorte eingereicht wird: Also eines, dass bereits vor Monaten oder Jahren durchgeführt wurde und jetzt halt „mal eben eingereicht“ wurde – in dem Fall habt ihr nämlich gar nichts vorzuweisen zum aktuellen Projektverlauf, weil das Projekt ja bereits vor Monaten abgeschlossen wurde. Ihr sitzt dann vielleicht grade an der Erstellung der Dokumentation oder Präsentation, aber der Prüfungsausschuss kommt ja nicht, um euch beim bedienen einer Textverarbeitung zuzusehen (es sei denn, dies ist zentraler Gegenstand eures Projekts…).
Ich persönlich weiß von keinem Fall, wo diese Karte mal gezogen wurde von einem Ausschuss – aber ich kann euch sagen: Es juckt mir sehr regelmäßig in den Fingern, das mal zu machen und wer weiss – vielleicht ist euer Projekt dann das erste, dass ich mir live ansehe.
Quintessenz für euch: Beantragt ein realistisches Projekt mit einem realistischen Zeitrahmen, realistischen Abstimmungsterminen und realistischen Projektphasen.

Apropos realistisch: Ja, wir wissen, dass mindestens die Dokumentation, höchstwahrscheinlich aber auch wesentliche Teile eures Projekts den Projektrahmen sprengen werden. Macht euch darüber keine Sorgen. Wir haben uns die zeitlichen Beschränkungen nicht ausgedacht und die meisten von uns finden sie genauso ungünstig wie ihr.
Eure Aufgabe ist es, die Zeiten auf tatsächliche Tätigkeiten zu beschränken und damit zu „schrumpfen“. Das Beobachten eines Ladebalken könnt ihr rausrechnen. Das warten auf eine Antwortmail zu einer Bestellung könnt ihr rausrechnen. Das „oh man, jetzt hab ich was in der Firma vergessen und muss nochmal zurückfahren“-Desaster könnt ihr rausrechnen (oder intelligent als „Abweichungen“ und/oder „Entscheidung“ im Projektverlauf nutzen, aber das hängt sehr spezifisch von der Situation ab). Die zwölfeinhalb Stunden googlen nach einem sonderbaren Fehler könnt ihr auf die relevanten 15 Minuten eindampfen.
Damit bleibt Netto gar nicht mehr so endlos viel übrig und ihr werdet sehen – dann passt das normalerweise auch in den vorgesehen Projektrahmen.
Andernfalls hättet ihr übrigens üblicherweise bereits bei der Genehmigung den Hinweis von uns erhalten, dass wir an der Dimension zweifeln – und damit auch an der möglichen Umsetzbarkeit des Projekts zu den genannten Konditionen. Im Laufe der Zeit werden Prüfer*innen sehr gut darin, abzuschätzen, wie realistisch eine Zeitplanung ist – daher auch nochmal der Hinweis:

Lest. Die. Hinweise. In. Der. Genehmigung. Des. Projektantrags.

So, hier mach ich mal n Punkt. Ich habe ganz sicher ganz viele Dinge noch nicht genannt – diskutiert das gerne hier drunter oder auf unseren Social Media Kanälen mit uns: Facebook oder LinkedIn.

Ansonsten noch die Werbung in eigener Sache: Diese und sehr viel mehr Tipps aus dem Alltag von Prüfer*innen, konkrete Hinweise für das von euch geplante Projekt und den von euch angelegten Projektantrag könnt ihr auf brunobooking.de bestellen. Außerdem gibt’s dort auch spannende Kurse zum Projektmangement – wo wir sehr spezifisch auf die Anforderungen der Abschlussprüfung eingehen.

Damit bleibt mir noch euch viel Erfolg bei der Durchführung eures Projekts zu wünschen.

Im Verlauf der kommenden Wochen werden hier weitere Trivias veröffentlicht:
Teil 3: Die Durchführung und Dokumentation des Projekts
Teil 4: Die Präsentation
Teil 5: Das Fachgespräch
Teil 6: Nach der Prüfung: Einsichtnahme & Widerspruch

Rückblick:
Fabelwesen „Abschlussprüfung“ – Ein Überblick in sechs Akten
Teil 1: Der Projektantrag