Man mag ja über die Prüfungssituation der dualen Ausbildung, und insbesondere die der Fachinformatiker*innen in der Fachrichtung Systemintegration, in Berlin denken, was man möchte – zwei Dinge sind vergleichsweise wenig angreifbar meiner Meinung nach:

  • Das System erlaubt viele Freiheiten beim Nachweisen der beruflichen Fachqualifikation und
  • Die Prüfungen bieten gleichzeitig einen umfassenden Überblick über die Leistungsfähigkeit der Prüfungsteilnehmenden

Die Prüfung besteht aus diversen Elementen – AP1 ist eine schriftliche Prüfung etwa zur Hälfte der Laufzeit der Ausbildung mit 20% Einfluss auf die Abschlussnoten, AP2 liefert die restlichen 80% zum Ende der Ausbildung nach. Darin enthalten sind eine ausführliche schriftliche Leistungsbeurteilung, ein zu beantragendes, durchzuführendes und zu dokumentierendes Projekt innerhalb gewisser Parameter sowie eine abschließende Präsentation des Projektergebnisses samt angeschlossenem Fachgespräch. Der Stand der Fachkenntnisse wird in den schriftlichen Teilen ermittelt, für das Gebiet rund um das Projekt stehen die anderen Elemente der Ausbildung im Fokus – Projektmanagement, betriebswirtschaftliche Faktoren, der interdisziplinäre Blick über den Tellerrand – gerne im Rahmen einer technischen Herausforderung, aber das ist eher am Rande von Bedeutung. Die Komplexität der gewählten technischen Lösung dient gewissermaßen als Träger für die anderen Disziplinen.

Hinzu kommt seit einiger Zeit der Wechsel der Ausbildungsordnung der Fachinformatiker*innen, in der gleichsam die Prüfungsordnung angepasst wurde. Selbstverständlich hat die IHK Berlin hier reagiert, die Prüfungsausschüsse gut vorbereitet, die Bewertungskriterien angepasst an die neue Erwartungshaltung des Prüfungskatalogs.
All das gibt’s in Berlin zum Nachlesen, handlich komprimiert auf 14 Seiten aneinandergereihter Fakten und Hinweise im Leitfaden für IT-Berufe (ja, gibt’s auch für andere Ausbildungsberufe).

Was konsequent jedes Jahr auffällt – und auch dieses Jahr wieder aufgefallen ist: Es gibt nach wie Ausbildungsbetriebe (und natürlich auch Auszubildende), die keinen blassen Schimmer von diesem Schriftstück haben. Und dann gibt’s auch immer wieder jene, die zwar theoretisch wissen, wie das alles ineinandergreift, aber die Transferleistung nicht auf die Straße bringen, die ihr Projekt also nicht an diese Kriterien anzudocken vermögen.
Natürlich gibt’s auch immer wieder die auffälligen Prüflinge – also jene, die die Leistungsskala nach oben neu definieren und jene, die während ihrer Ausbildung nur als Arbeitsdrohnen genutzt wurden und so gar keine Chance hatten, sich angemessen auf die Abschlussprüfung vorzubereiten.

Es mag aus der Perspektive eines Ausbildungsbetriebs ja durchaus viele Gründe geben, eine Ausbildung anzubieten – vom intrinsischen Verlangen, junge Nachwuchskräfte auf den Arbeitsmarkt zu entlassen über den Bedarf an vergleichsweise günstigen Projektunterstützungen und Konditionierungs-Workerbees bis zur betriebsgetriebenen Notwendigkeit, sich dem Fachkräftemangel entgegenzustellen. Dazwischen gibt’s natürlich diverse Graubereiche, klar.
Allen Antriebsformen gemein ist jedoch: Die Abschlussprüfung ist eine von unabhängigen, ehrenamtlich tätigen Prüferinnen und Prüfern abgenommene und beurteile Umgebung. D.h. auch wenn die Befürfnisse der Ausbildungsbetriebe erheblichen Einfluss nehmen auf die Start- und Durchschnittsgeschwindigkeit der Auszubildenden zur Laufzeit der Ausbildung – am Ende müssen alle durch’s gleiche Nadelöhr. Und hier entscheidet nicht, was man bisher über Informationstechnologie weiß oder vermittelt hat, auch nicht, wie gut man sich in Zahlensystemen zurechtfindet oder ob man am Puls der Zeit Produkte in die komplexen IT-Strukturen in diese Welt setzt – hier, in dieser letzten Prüfung vor der Beurteilung der Facharbeitendenreife, entscheidet nur das überschaubar große Regelwerk zur Abschlussprüfung über den Abschluss, die Noten auf dem Abschlusszeugnis und natürlich über die Startmotivation, mit der die meist jungen Nachwuchskräfte dann in die folgende Karriere starten.
Es geht bei dieser Prüfung nicht darum, nachzuweisen, dass man ein*e besonders exzellente*r Informatiker*in ist – es geht darum, innerhalb von definierten Grenzen nachzuweisen, dass man diese Leistungsfähigkeit in einem Projekt nachweisen kann.

Hier sei die Werbung in eigener Sache gestattet: Wir bei Bruno Booking verkaufen ausdrücklich Vorbereitungen auf diese Abschlussprüfung. Die meisten unserer angebotentenen Dienstleistungen drehen sich um das Projektmangement oder um die situative Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen.

Ich möchte diesen Post mit gleich zwei Appellen abschließen:

  1. Liebe Ausbildungsbetriebe: Eure Auszubildenden haben es verdient, eine bestmögliche und leistungsgerechte Abschlussprüfung durchzuführen. Sie haben es auch verdient, ein bestmögliches und leistungsgerechtes Abschlusszeugnis zu erhalten. Ihr seid in der Verantwortung, ihnen das zu ermöglichen. Ob ihr das selbst macht oder delegiert – ist natürlich euch überlassen
  2. Liebe Auszubildende: Ihr habt neben diversen anderen Ansprüchen natürlich auch ein Anrecht darauf, ein leistungsentsprechendes Abschlusszeugnis der IHK zu erhalten. Ihr müsst die dafür nötige Vorbereitung auf die Abschlussprüfung möglicherweise extra einfordern in eurem Betrieb – aber ihr solltet euch keineswegs nur zurücklehnen zum Ende eurer Ausbildung und auf eure IT-Skills vertrauen.

In diesem Sinne: Gutes gelingen für jene, die im Winter 2024 zur Prüfung gehen 😉